Hannover. Die CDU/CSU hat ihre ursprünglichen Pläne für eine gesetzliche Tarif-Öffnungsklausel noch verschärft. Bisher galt gegenüber vom Tarifvertrag abweichenden Vereinbarungen ein Einspruchsrecht der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Dieser Tarifvorbehalt soll nun abgeschafft werden. Damit ist die Tarifautonomie faktisch ausgehebelt. Dazu erklärt der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt:
Das Wahlprogramm der Union nimmt für sich in Anspruch, ein Dokument der Ehrlichkeit zu sein. In Sachen Tarifautonomie ist jedoch von Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit wenig zu spüren.
Die Union hat die Karten auf den Tisch gelegt. Wurden im Vorfeld noch nebulöse Formulierungen verwendet, so machen das Wahlprogramm und die Interpretation führender CDU-Politiker klar, unmissverständlich klar, wohin die Reise gehen soll. Die Union will die Tarifautonomie aushebeln und das System der Flächentarifverträge außer Kraft setzen. Damit wird einer der herausragenden Pluspunkte des Standorts Deutschland preisgegeben. Das ist fahrlässig, verantwortungslos und kontraproduktiv.
In der chemischen Industrie haben wir bereits vor über einem Jahrzehnt eine Tarifreform eingeleitet. Es geht um Differenzierung und Flexibilisierung in sozialer Verantwortung. Das Flächenvertragssystem funktioniert, Öffnungsklauseln ermöglichen Standortbündnisse, sichern Beschäftigung und machen den Weg frei für zukunftsorientierte Investitionen. Die Verträge sind ein Markenzeichen unserer Gewerkschaft und ein Beispiel für eine funktionierende Sozialpartnerschaft.
Die Öffnungsklauseln und der verantwortungsbewusste Umgang damit passen der Union offenbar überhaupt nicht. Ihr geht es nicht um Flexibilisierung und Differenzierung, sie setzt auf den Kahlschlag. CDU/CSU machen Betriebsräte erpressbar und wollen die Gewerkschaften zum Bittsteller degradieren.
Die IG BCE steht für eine ausgeprägt sozialpartnerschaftliche Politik. Eine solche Politik ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Zu diesen Voraussetzungen zählen elementar Tarifautonomie, Mitbestimmung und Betriebsverfassung.
Wer die Konsensorientierung grundsätzlich in Frage stellt, wer auf Dauerkonfrontation und auf den Konflikt aus Prinzip setzt, der zwingt die IG BCE dazu, sich neu aufzustellen. Wir wollen dies nicht, wir streben dies nicht an. Wir lassen uns allerdings von niemandem herumschubsen, wir weichen einer grundsätzlichen Auseinandersetzung nicht aus.
Die Union rüttelt an den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft. Fairer Ausgleich unterschiedlicher Interessen war gestern, jetzt gilt das Prinzip Ellbogen. Die CDU/CSU leitet einen Prozess ein, an dessen Ende die Republik nicht mehr wieder zu erkennen wäre. Ich kann nur davor warnen, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Am Ende gäbe es keine Gewinner, sondern nur Verlierer.
Die Tarifautonomie ist grundgesetzlich geschützt. Zieht die Union durch, ist ein Gang nach Karlsruhe unausweichlich.